DOPPEL-INTERVIEW: "RASSISMUS IST KEIN NEUES THEMA"

Es geht um Rassimus-Erfahrungen hierzulande und in den USA, um die nachlassende Aufmerksamkeit für die Black Lives Matter-Bewegung und den Einfluss, den gerade Teamsportarten wie Basketball bei der Bekämpfung von Rassismus und Ausgrenzung haben können und sollten. Unser Captain Felix Hoffmann und unser Co-Trainer Steven Key haben sich dazu in einem ausführlichen Interview mit Carolin Münzel von der Mainpost-Sportredaktion klar positioniert - sie sprechen stellvertretend im Namen aller Trainer, Spieler und Mitarbeiter von s.Oliver Würzburg.

Das komplette Interview ist auf mainpost.de im Bereich "MP+" für Abonnenten hier zu finden. Mit freundlicher Genehmigung unseres Medienpartners veröffentlichen wir es in Auszügen. 

 

Es ist zuletzt relativ still geworden um die Black-Lives-Matter-Bewegung. Ist das auch Ihr Eindruck?

Felix:
Ja. Am Anfang war es ein sehr starkes Thema. Vor allem, weil in Amerika in kürzeren Abständen immer wieder etwas passiert ist. Durch die Medien wurde das breit gestreut und gerade, weil die Hälfte unserer Mitspieler eine andere Hautfarbe hat, haben wir uns natürlich fast jeden Tag darüber unterhalten. Mittlerweile hat die Medienpräsenz stark nachgelassen, obwohl es ein sehr wichtiges Thema ist. Eines, das man nicht vergessen sollte.

Steven:
Rassismus ist kein neues Thema, vor allem nicht, wenn du aus Amerika kommst. Dass ihm diesmal soviel Aufmerksamkeit zuteil wurde, liegt meiner Meinung nach an der Corona-Pandemie. Viele Leute konnten nicht zur Arbeit gehen und saßen viel zu Hause rum. So hatte das Thema die Chance, aufmerksamer wahrgenommen zu werden, als es sonst vielleicht der Fall gewesen wäre. Auch, weil es sich über Social Media verbreitet hat. Was George Floyd passiert ist  (er starb, weil ihm ein weißer Polizist minutenlang das Knie auf den Hals drückte, Anm. d. Red.), ist nichts Neues. Dergleichen passiert in den USA seit Jahrzehnten. Der Unterschied ist, dass inzwischen fast jeder ein Smartphone hat, dass solche Dinge aufgenommen und verbreitet werden. So hat das Thema eine breitere Mehrheit erreicht. Zugleich haben wir bald Wahl in den USA. Das heißt, dass ständig neue Themen auftauchen und schnell wieder in der Versenkung verschwinden. Dabei wäre es so wichtig, dass die Black-Lives-Matter-Bewegung nachhaltig im Bewusstsein bleibt.

Wie kann das gelingen?

Steven:
Man muss dem Thema Aufmerksamkeit schenken, auch wenn es unangenehm ist. Und zwar so lange, bis es Regeln oder Gesetze gibt, die helfen, die Misstände zu beseitigen. Das wird nicht in ein oder zwei Jahren passieren. Dass es überhaupt so weit kommt, dass ein weißer Polizist einem Schwarzen in den Rücken schießt, während der davonläuft  (so wurde drei Wochen nach dem Tod von George Floyd der Afroamerikaner  Rayshard Brooks in Atlanta getötet, Anm. d. Red.), zeigt das ganze Ausmaß des systemischen Rassismus in den USA. Man hat in den letzten Jahrzehnten nie davon gehört, dass ein weißer Amerikaner auf diese Weise von der Polizei getötet worden ist.

Felix:
Das Gute ist, solche Fälle lassen sich nicht mehr leugnen, weil es jetzt Videoaufnahmen davon gibt. Niemand kann sich mehr rausreden und jeder sich seine eigene Meinung bilden. 

Als Deutscher ist man geneigt zu denken, dass Rassismus vor allem andere Länder betrifft. Besonders institutionellen Rassismus wollen hierzulande viele nicht wahrhaben. Herr Key, Sie sind in den USA geboren und aufgewachsen und leben jetzt schon sehr lange in Deutschland. Was ist Ihr Eindruck: Gibt es auch hier systemischen Rassismus?  

Steven:
Den gibt es in Europa genauso wie in den USA und fast überall auf der Welt. Denn das gesellschaftliche System ist nicht für People of Color entwickelt. In Amerika gab es 400 Jahre lang die Sklaverei. Und die Menschen denken, nur weil die Sklaverei zu Ende ist, ist auch der Gedanke dahinter verschwunden. Man muss sich bewusst machen, dass Weiße die Schwarzen aus Afrika entführten, weil sie sie für weniger wert hielten.  

Wie im europäischen Kolonialismus ...

Steven:
Genau. Das war im Grund der gleiche Gedanke. Man fuhr irgendwohin und nahm anderen ihren Besitz weg, weil sie sich nicht wehren konnten. Das System bevorzugt bis heute diejenigen, die es kreiert haben. Das ist institutioneller Rassismus. Ein Beispiel aus meinem Alltag. Nachdem Frankreich bei der Fußball-WM 2018 den Titel geholt hatte, hat jemand in eine Whatsapp-Gruppe, in der ich war, ein Bild der zu gut 70 Prozent nicht-weißen Mannschaft gestellt. Mit dem ironischen Kommentar: ,Typisch französisch'. Seitdem rede ich mit diesen Leuten nicht mehr als das Nötigste. Sie verstehen nicht einmal, was sie da tun - und das ist systemischer Rassismus.

Was kann der Sport zur Anti-Rassismus-Debatte beitragen?

Felix:
Der Mannschaftssport ist prädestiniert dafür, sich gegen Rassismus stark zu machen, weil es bei uns ums Team geht. Wir funktionieren nur als Einheit, wir müssen an einem Strang ziehen, der eine muss sich auf den anderen verlassen können. Da ist es egal, wo du herkommst und welche Hautfarbe du hast. Dazu kommt die Reichweite des Profisports.

Steven:
(Ringt ein wenig um Fassung)  Ach  (winkt ab), eigentlich hasse ich es, über das Thema Rassismus zu reden. Es ist einfach sehr emotional. Ich will mich nicht die ganze Zeit damit beschäftigen. Für mich ist das kein Thema, auch wenn ich natürlich weiß, dass es ein Thema ist.

Nur noch zwei Fragen. Wie wichtig ist es, dass sich auch Weiße in der Anti-Rassismus-Bewegung engagieren?

Steven:
Sehr wichtig. Wir hätten Obama nicht als Präsident gehabt in den USA, wenn nicht 20 bis 30 Prozent der Weißen gesagt hätten, wir geben ihm eine Chance. Die Mehrheit muss der Minderheit helfen.  

Und was wünschen Sie beide sich für die Zukunft?

Unisono:
Dass Rassismus einfach irgendwann kein Thema mehr ist.

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Key und Warrior

Foto: Patrick Wötzel